“Das Lächeln, das du aussendest, kehrt zu dir zurück.” (indisches Sprichwort)

Eine völlig neue Welt, lächelnde Menschen, ein totales Verkehrschaos zwischen Kühen und Kamelen, unzählig viele bunte Saris, überall Hakenkreuze und leider viel zu viel Müll: Das alles erlebten wir 2018 in Indien.

Unsere Rundreise durch Nordindien erwies sich nicht aufgrund der vielen verschiedenen Sehenswürdigkeiten als so einzigartig, sondern wegen der so herzlichen und aufgeschlossenen Inder. In Indien erlebten wir eine absolute “Kultur-Überraschung”, die andere Touristen vielleicht eher als “Kultur-Schock” bezeichnen würden. Wer nach Indien reist, sollte die Menschen nicht von oben herab betrachten. Und schon gar nicht sollte man das indische Leben schlecht reden, nur weil es eklatant vom europäischen Standard abweicht. Aufgeschlossenheit, Offenheit, Humor und Toleranz sind genauso wichtig wie die Neugier, mit der man den Indern begegnen sollte. Und wenn man ihnen ein Lächeln schenkt, bekommt man dieses auch immer zurück.

In Indien kamen wir mit unzählig vielen Menschen – vor allem mit unseren Guides und unserem privaten Fahrer –  in Kontakt, die uns so viel Interessantes, Spannendes, Lustiges und Skurriles über die Inder erzählten. Jeden einzelnen Tag klebten wir tagsüber an ihren Lippen, um die Informationen dann am Abend auf Papier zu bringen. Anders hätten wir uns das alles gar nicht merken können.

Heute, fast drei Jahre nach unserer Reise, wollen wir unsere Erkenntnisse nun mit unseren Lesern teilen.

Die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Inder

Wir waren schon in so vielen Ländern dieser Erde unterwegs, aber bei einer Sache sind wir uns beide absolut einig: Die Inder sind das freundlichste Volk auf der ganzen Welt. Ganz egal, ob wir in den Großstädten oder Dörfern unterwegs waren: Überall begegneten wir warmen, herzlichen, aufgeschlossenen Menschen.

Gastfreundschaft wird in Indien ganz großgeschrieben. Die Inder behandeln all ihre Gäste wie Götter oder Könige. Und das bekamen auch wir zwei “Normalos” jeden einzelnen Tag zu spüren. Zwei Wochen lang kamen wir uns in Indien vor wie Herzogin Kate und Prinz William. Teilweise “überhöhten” uns die Inder so sehr, dass es uns schon unangenehm war. Dennoch waren sie niemals aufdringlich, sondern eher angenehm zurückhaltend.

Oftmals hört oder liest man davon, dass man als Frau nicht allein durch Indien reisen sollte. Häufig ist auch von abschreckenden Massenvergewaltigungen die Rede. Die Menschen, denen wir begegneten, waren alle absolut friedlich, sowohl in den Großstädten als auch in den Dörfern. Viele Männer kamen uns sogar sehr schüchtern vor. Wir selbst mischten uns überall unter die Einheimischen, weil wir nirgendwo Angst hatten. Das, was in den Medien über die Vergewaltigungen kommuniziert wird, sind vermutlich nur Einzelfälle, die aber so aufgebauscht werden, dass man denken könnte, alle indischen Männer seien Bestien. Aber das ist garantiert nicht der Fall.

Inder – Das fotogenste Volk der Welt

Wer gern die Menschen unterschiedlicher Kulturen fotografiert, ist in Indien genau richtig, denn die Inder sind wohl das fotogenste Volk der Welt. 90% der Einheimischen lächelten nett in die Kamera, wenn man sie fotografieren wollte. Ein Motorradfahrer hielt sogar extra an und grinste in die Linse, damit ich ihn gut ablichten konnte. Die restlichen 10% waren Frauen, die sich schüchtern den Stoff ihres Kopftuches vors Gesicht hielten. Gerade die Inderinnen mit ihren bunten Saris kamen auf unseren Fotos besonders hübsch zur Geltung.

Wer nun als typischer Europäer an die Persönlichkeitsrechte und an das “Recht am eigenen Bild” denkt, den können wir beruhigen. Denn viele der von uns fotografierten Menschen forderten uns sogar dazu auf, sie abzulichten. Sogar die Kinder in den Dörfern rannten uns mit der Aufforderung “one photo, one photo” hinterher, weil sie von uns auf Bildern festgehalten werden wollten.

So wie wir die Inder fotografierten, so fotografierten sie uns übrigens auch – manchmal offen und manchmal heimlich. Wir wollen nicht wissen, wie viele Fotos am Ende von uns auf irgendwelchen Social-Media-Plattformen mit dem Hashtag “Germany” gelandet sind – denn witzigerweise fragten uns die Einheimischen immer, woher wir kamen. Indien funktioniert eben anders.

Inder und ihre Vergötterung der Weißen

Stelle dir vor, du reist in ein Land, weil es dich interessiert und du dort Urlaub machen willst. Und plötzlich starren dich alle an, fotografieren dich heimlich oder fragen dich direkt nach einem gemeinsamen Foto. Männer, Frauen, Kinder, sie alle mustern dich gleichermaßen. Rund um die Uhr. Ganz egal, wo du gerade bist und was du gerade machst. Und du weißt zunächst nicht, was überhaupt los ist. Sie fassen dich an, schauen dich wie Außerirdische an oder laden dich zu sich nach Hause ein. Dabei stehen ihre Münder vor Faszination sperrweit offen. Und wenn man sich den Spaß macht, stehen bleibt und sie zurück anschaut, dann verweilen sie in ihrer Freeze-Position und starren dich immer weiter an. Zwei Wochen lang ging das jeden einzelnen Tag so, rund um die Uhr. Wir kamen uns vor wie Superstars aus Amerika oder wie lebendig gewordene indische Gottheiten.

Aber ja, zum Spaß spielten wir deren Vergötterungsspiel einfach mit. Freundlich lächelnd willigten wir in jede Fotoaufnahme ein und beugten uns beim Selfiemachen sogar immer zu ihnen herunter, weil sie alle viel kleiner waren als wir. Da wir natürlich auch Fotos von ihnen haben wollten, drehten wir irgendwann den Spieß einfach um und fotografierten all die Selfiejäger ebenfalls.

Aber warum das Ganze? Wenn es uns unser Guide nicht erzählt hätte, wüssten wir es bis heute nicht. Der Grund dafür ist aus unserer Sicht absolut skurril: Inder (bzw. alle Asiaten) vergöttern Menschen mit weißer Haut, blonden Haaren und mit großen Muskeln. Die indischen Männer fragten M sogar ganz oft, was er dafür tut, um solche Muckis zu bekommen. Es war auch nicht so, dass wir uns über sie stellten oder uns als etwas Besseres betrachteten. Für uns sind grundsätzlich alle Menschen gleich, unabhängig von ihrer Hautfarbe oder Nationalität. Viel mehr war es so, dass die Inder UNS “überhöhten”, auch wenn wir das gar nicht wollten. “Sie starren euch nicht an, sie verehren euch”, versuchte uns unser Guide immer wieder zu beruhigen. Aber selbst die Touristenführer schossen mit ihren privaten Handys Fotos von uns.

Während unserer Reise lernten wir viele verschiedene Arten von “Bewunderern” kennen:

  • Die Schüchternen: Sie schauen einen wie hypnotisiert an, bekommen riesige Augen und ihr Mund steht offen. Sie fragen aber nicht nach Fotos, sondern gehen irgendwann weiter und himmeln einen im Weggehen weiter an.
  • Die Heimlich-Fotografierer: Sie stellen sich direkt neben dich und machen heimlich Fotos von dir, entweder nur von dir oder von sich und dir gemeinsam. Auch wenn sie das oft ganz diskret versuchten, bekamen wir es trotzdem sehr oft mit.
  • Die Offenen: Sie kommen direkt auf dich zu, fragen dich nach einem gemeinsamen Foto, fassen dich an und geben dir die Hand.
  • Die Foto-Crasher: Während wir Selfies von uns machten, stellten sie sich absichtlich in Scharen hinter uns, um im Hintergrund mit auf unseren Fotos zu sein. Sie schauten sogar alle in die Kamera und lächelten teilweise.
  • Die Unergründlichen: Sie sprachen uns an, weil sie Fotos mit uns haben wollten. Allerdings hatten sie selbst keine Kamera dabei, sondern wollten, dass wir die Selfies mit unserem Apparat aufnehmen. Wir wissen bis heute nicht, was der Sinn dahinter war, weil ja nur wir etwas von den Fotos hatten, aber nicht sie selbst, die ja eigentlich fotografiert werden wollten.
  • Die Guides: Unsere vielen Guides, mit denen wir täglich auf Erkundungstour waren, fotografierten uns ebenfalls ständig mit ihren privaten Smartphones. Dabei nutzten sie ihre Funktion als Touristenführer aus, um ihre Bilder von uns zu rechtfertigen. Dadurch dass wir aber auch alles und jeden fotografierten, fanden wir das nicht weiter schlimm. So hatte jeder seinen Spaß.

Und weil die Menschen in Südindien dunkler sind als die Menschen in Nordindien, verehren sie Weiße sogar noch mehr. Na, das kann ein Heidenspaß werden, wenn wir irgendwann mal nach Kerala reisen sollten….

Bettelnde Kinder in den Dörfern – Nur eine Challenge?

Wenn man durch indische Dörfer läuft, kommen spätestens nach zehn Minuten alle Kinder in Scharen auf einen zugerannt, weil sie unbedingt fotografiert werden wollen. Dabei stießen wir auf zwei unterschiedliche Arten von Kindern:

  • Die neugierigen, freundlichen Kinder (die Mehrheit): In den Dörfern Barli und Rohat kamen sie mit den Worten “one photo, one photo” auf uns zu, weil sie allein oder mit uns zusammen fotografiert werden wollten. Sie bestanden auch immer darauf, sich ihre Fotos auf unserem Kameradisplay ansehen zu dürfen und freuten sich dann wie Schneekönige darüber.
  • Die frechen Kinder (nur Einzelfälle): Sie kamen in den Dörfern angerannt, fassten uns an und fragten konkret nach Selfies mit uns. Als wir sie dann fotografierten, zeigten sie den Stinkefinger in unsere Kamera. Solche Fotos löschten wir noch an Ort und Stelle.

Während sich die Erwachsenen oftmals sehr schüchtern und zurückhaltend verhielten, traten uns die Kinder völlig unvoreingenommen und ohne Scheu entgegen.

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In den Dörfern wurden wir dann auch noch Zeuge einer Challenge, die die Kinder unter sich ausgerufen haben. Sogar ein Hotel warnte uns in seiner Informationsmappe vor diesem “Spiel”: Wenn die Kinder nach “One photo”, “One pen” oder “One rupee” fragen, dann stecken also keine ernstgemeinten Bettelabsichten dahinter. Laut unserem Hotel gibt es in Indien nämlich überall spottbillige Kugelschreiber zu erwerben. Die Kinder sehen das Ganze nur als Wettbewerb an. Wer die meisten Kulis, Geldstücke oder Fotos von “Gorias” (weißen Menschen) sammelt, der gewinnt die Challenge. Wir sollten sogar unsere Namen in ein Büchlein eines Kindes schreiben, weil es bei ihm darum ging, wer die meisten Unterschriften von weißen Touristen sammelt.

Wenn man einem Dorf wirklich etwas Gutes tun und spenden möchte, so gibt es in einigen ländlichen Hotels sogenannte “Wohlfahrtsfonds”, an denen man sich beteiligen kann. Das gesammelte Geld kommt dann der Dorfgemeinschaft zugute.

Bildungseinrichtungen in Indien – Privatschulen vs. öffentliche Schulen

In Indien gibt es – genauso wie in der ganzen Welt – neben öffentlichen Bildungseinrichtungen auch Privatschulen. Wer in Indien etwas von sich hält und finanziell einigermaßen gut aufgestellt ist, der schickt seine Kinder auf eine der vielen kostenpflichtigen Privatschulen. Denn diese seien in Indien qualitativ besser als die staatlichen Schulen, erklärte uns unser privater Fahrer, dessen zwei Töchter ebenfalls auf eine Privatschule gegangen waren. In ganz Rajasthan ist die für alle Schüler obligatorische Schuluniform in Brauntönen gehalten, während es an den Privatschulen überall andere Kleidervorschriften gibt. Ein bei Eltern sehr beliebter Bildungsort in Indien sei Ajmer, weil sich dort sehr viele gute Privatschulen befänden.

Religionen in Indien: Auf den Spuren von Ganesha, Vishnu und Co.

Ein Überblick über die Verteilung der Religionen in Indien

Wer Indien bereist, wird sehr schnell feststellen, dass die Inder ein sehr gläubiges Volk sind. Nur ca. 2% der Menschen seien nicht religiös, teilte uns unser Guide mit.

Mit der Verteilung der Religionen verhält es sich in Indien folgendermaßen:

  • ca. 80% Hinduismus
  • ca. 14% Islam
  • ca. 2% Sikhismus
  • ca. 2% Christentum
  • ca. 1% Buddhismus
  • ca. 0,4% Jainismus

Laut unserem Guide seien Inder extrem tolerante Menschen, da sie – trotz ihrer unterschiedlichen Religionen – im friedlichen Einklang miteinander leben. Sämtliche religiöse Feste aus den verschiedenen Glaubensrichtungen feiern sie sogar gemeinsam. So gibt es in Indien pro Monat ungefähr drei religiöse Feiertage – und selbst Ostern und Weihnachten werden dabei berücksichtigt.

Und weil die Inder so streng gläubig sind, lassen sie auch von den Priestern nach astrologischen Gesichtspunkten festlegen, an welchen Tagen sie ihre Autos und Häuser kaufen. Auch den Tag und die Uhrzeit einer Hochzeit legt der Priester fest.

Der Hinduismus

In der in Indien vorherrschenden Religion, dem Hinduismus, gibt es 33 Millionen (oder 330 Millionen?) verschiedene Götter, die alle unterschiedlich aussehen und unterschiedliche Funktionen innehaben. Über die genaue Anzahl gab es sowohl bei unseren Guides als auch im Internet widersprüchliche Angaben. Die wichtigsten Götter im Hinduismus sind Brahma (Erschaffer), Vishnu (Beschützer und Beobachter) und Shiva (Zerstörer). Um die Macht dieser drei zu bündeln, werden sie in einem einzigen Symbol vereint, das man in Indien überall sehen kann, nämlich in der Swastika (siehe Foto). Der vierte Haken steht für die Wiedergeburt, die ein wesentlicher Bestandteil der Religion darstellt. Dieses Hakenkreuz hat absolut gar nichts mit der Bedeutung zu tun, die wir dafür in Deutschland kennen.

Je mehr Arme und Beine ein Gott besitzt, desto mächtiger ist er in seiner Wirkung. Das ist auch der Grund dafür, weshalb Inder Babys mit drei Armen oder Beinen vergöttern, die wir Europäer eigentlich als behindert ansehen würden.

Jeder der oben aufgeführten Götter hat eine Frau und ein “Gefährt”, diese sind ebenfalls alles Götter:

Männlicher GottFrauGefährt der männlichen GötterGemeinsame Kinder
Brahma (=Creation)Saraswati (=Education)Wildgans Hamsa---
Vishnu (=Pretection + Observation)Lakshmi (=Money)Adler Garuda und Schlange Shesha---
Shiva (=Destroyer)Parvati (=Energy)Stier NandiGanesha (Power, Peace, Prosperity) und Subrahmanya

Obwohl Ganesha “nur” das Kind von Shiva und Parvati ist, besitzt dieser Gott ebenfalls sehr viel Macht. Denn bevor ich zu irgendeinem der vielen Götter beten kann, muss ich immer als allererstes Ganesha anbeten. Wenn ich dies nicht tue, wird mein Gebet nicht erhört.

Im Hinduismus geht man davon aus, dass jeder Mensch über 8,4 Millionen Leben verfügt. Man weiß nicht, was oder wer man in seinem vorherigen Leben war, außer man besitzt die innere Kraft dazu, um das selbst durch Yoga oder Meditation herauszufinden. Besitzt man diese Fähigkeit nicht, so kann man auch einen Guru dazu befragen, der das weiß.

Wenn Hinduisten zum Beten in den Tempel gehen, ziehen sie ihre Schuhe vor dem Eingang aus, um die gesamte göttliche Energie besser aufnehmen zu können. In einigen Tempeln mussten wir sogar noch zusätzlich die Socken ausziehen. Vor den Gebetshäusern stapeln sich die Schuhe deshalb bergeweise. Und wenn man seine eigenen Treter nach dem Tempelbesuch auch wiederfinden möchte, muss man den “Schuhaufpassern” ein wenig Geld zukommen lassen. Ernsthaft darauf geachtet haben diese jedoch nicht, was auch bei der Menge an Schuhen gar nicht möglich war.  Im Übrigen werden in den Tempeln Schälchen mit menschlicher Asche aufgestellt, mit der sich die Gläubigen einreiben können. In dem Tempel, in dem wir solche Schalen zu Gesicht bekamen, stammte die Asche laut unserem Guide jedoch von Räucherstäbchen.

An allen Ecken kann man außerdem kleine Gabenschälchen kaufen, die man dann im Tempel als Opfergabe abstellen kann.

Zudem vergleicht man die Götter oft mit einer Kokosnuss: Sie hätten eine harte Schale und einen weichen Kern. Während die Gläubigen nur ein paar Tropfen des Kokosnusswassers selbst trinken, wird der Großteil davon geopfert. Auch die halbe Kokosnuss opfern sie an die Götter – die andere Hälfte wird zum Essen an Nahestehende verschenkt.

Außerdem fanden wir heraus, dass die Einheimischen vereinzelte Bäume aus Glaubensgründen mit bunter Wolle umwickeln. Die Inder glauben daran, dass die angebeteten und verehrten Bäume ihnen in ihrem Leben ganz viel Glück bescheren. Zur Anbetung der Bäume gibt es sogar ein eigenes Buch, das man bei Amazon* erwerben kann.

Die Abbildung eines schwangeren Elefanten steht übrigens für das versteckte, geheime Glück, das einem im Leben widerfährt. Weil uns Indien so sehr in seinen Bann zog, kaufen wir uns als Souvenirs sogar noch eine Ganesha und einen solchen schwangeren Elefanten. Und wenn in den bildlichen Darstellungen von Elefanten der Rüssel nach oben zeigt, so bedeutet das  “Willkommen”. Zeigt der Rüssel nach unten, so heißt das “Viel Glück”.

Besonders kurios fanden wir auch, dass Inder Motorräder verehren und dass es sogar einen eigenen Motorrad-Tempel
gibt.

Der Islam im Einklang mit dem Hinduismus

In Indien leben allerdings nicht nur Hinduisten, sondern auch Moslems. Während die Menschen im Hinduismus die bildlichen Darstellungen in Tempeln verehren, sieht man im Islam eher abgebildete Tiere ohne Köpfe, beispielsweise kopflose Pfauen oder Tiger. Weisen indische Städte als letzte Silbe ein -pur auf, so ist das ein Hinweis darauf, dass dort der Hinduismus vorherrscht. Jodhpur, Jaipur und Udaipur sind nur wenige Beispiel hierfür. Muslimische Städte enden in Indien dagegen auf -abad, zum Beispiel Hyderabad, Ahmedabad und Ghaziabad.

Behinderte und Bettler in Indien – Eine Frage des Karmas?

In Indien geht man davon aus, dass arme und behinderte Bettler in ihrem früheren Leben reich und egoistisch waren und dass sie zu viel gesündigt hätten. Deshalb hätte das Karma diese Menschen in ihrem aktuellen Leben mit Armut oder einer Behinderung bestraft, weil sie in ihrem früheren Wohlstandsleben nichts von ihrem Reichtum abgegeben hätten. Inder sagen, man solle diese armen oder einbeinigen Bettler nicht bemitleiden, sondern ihnen etwas spenden und weitergehen.

Nun gibt es zwei Szenarien für das Leben eines (behinderten) Bettlers:

  1. Wenn man nicht spendet, hat der Bettler kein Geld, um sich etwas zu essen zu kaufen. Dann verhungert er und stirbt früh. Dadurch wird er schneller von seinem Leiden befreit und als etwas Besseres wiedergeboren. Das wollen die Inder aber verhindern.
  2. Wenn man spendet, was man nach der Ansicht der Inder auch tun soll, dann bekommt der Bettler viel Essen. Folglich lebt er lange, um seine gerechte Strafe lange aussitzen und ertragen zu müssen. Indem man ihm Geld spendet, wird er eigentlich bestraft. Aus diesem Grund spenden die Inder viel Geld, um die Bettler länger leiden zu lassen.

Aber Behinderung ist in Indien nicht gleich Behinderung. Denn wenn ein Baby mit mehreren Armen oder Beinen zur Welt kommt, wird es laut der Inder nicht vom schlechten Karma bestraft, sondern von allen wie eine Gottheit verehrt, weil es genauso aussieht wie die Götter. Diese besitzen oftmals auch mehrere Arme und Beine.

Vermüllte und verdreckte Straßen in Indien – Ein skurriler Grund für die Umweltverschmutzung

Abgesehen von dem Smog in den Großstädten, der durch die vielen Autoabgase verursacht wird, sieht man in Indien auch leider viel zu viel Müll herumliegen. Wir selbst wurden Zeugen davon, wie die Inder zuerst ihre Abfälle in einen Fluss warfen, aber anschließend genau an der gleichen Stelle ihr Geschirr darin abwuschen und später darin badeten. Wir selbst können es nicht nachvollziehen, dass man das Wasser zunächst selbst verdreckt und sich später darin reinigt.

Aber wieso vermüllen die Inder ihre eigene Umgebung so sehr? Einer unserer Guides hatte eine ziemlich skurrile Erklärung für diese widersprüchliche Lebensweise parat: Die Götter schreiben vor, wie die Menschen zu leben haben. Und weil die Inder so streng gläubig sind, halten sie sich an alles, was die Götter und Religionen ihnen sagen. Leider gibt es aber keine göttliche Regel, die besagt, dass man alles sauber halten sollte. Aufgrund dieser Leerstelle in der Religion zum Thema “Sauberkeit” sind die Straßen, Flüsse und Meere so stark verschmutzt. Allerdings gab es dazu einen extremen Kontrast, denn bei Mahatma Gandhis Einäscherungsstelle in Delhi, an anderen Glaubensstätten oder am Taj Mahal war es absolut sauber und gepflegt.

Inder und ihre Kasten: Je höher, desto reicher? Über Armut und Reichtum in Indien

In Indien geht die Schere zwischen hohem und niedrigem Lebensstandard extrem weit auseinander. Auf der einen Seite gibt es die ganzen reichen Königshäuser und die Menschen aus der oberen Mittelschicht. Auf der anderen Seite gibt es arme Volksstämme wie die Vishnoi, die nach 29 Regeln ohne Elektrizität und Wasser in Lehmhütten auf dem Land leben. Wer in Indien wirklich alle Facetten des Landes kennenlernen möchte, sollte daher auch die Dörfer besuchen.

Auch heute noch sind die Inder in verschiedene Kasten eingeteilt, in denen man ein Leben lang bleiben muss. Man bekommt diese Kaste von seinen Eltern vererbt und kann nichts daran ändern. Die Einteilung in die verschiedenen Kasten stammt von früher, als die Menschen nach ihren Arbeitsschwerpunkten bzw. Fähigkeiten nach Körperteilen klassifiziert wurden:

  • 1. Kaste: Gehirn/Denken: Priester und Gelehrte
  • 2. Kaste: Hände/ Arme: Krieger
  • 3. Kaste: Körper: Händler, Kaufleute
  • 4. Kaste: Füße: Handwerker, Tagelöhner, Bauern

Wie uns mehrere Guides einstimmig versicherten, haben die Kasten heute nichts mehr mit Geld oder dem Lebensstandard zu tun. Eine höhere Kaste bedeutet nicht automatisch Reichtum.

Besonders beeindruckt hat uns die Tatsache, dass man die Kastenzugehörigkeit an der Kleidung (z.B. am Turban) und der ganzen äußeren Erscheinung (z.B. am Bart) erkennen kann. Unser Guide identifizierte beispielsweise eine Frau mit einem sehr edlen, teuer aussehenden Seidengewand als Angehörige der untersten Kaste, was für uns völlig überraschend war. Damit wollte er uns zeigen, dass auch Bauernfamilien viel Geld für Kleidung ausgeben.

Das bedeutet also, dass man von der äußeren Erscheinung nicht immer auf den Wohlstand der Menschen schließen kann. Die vier Inder aus der Großstadt Udaipur, die wir im Ranthambhore-Nationalpark kennenlernten, waren beispielsweise so wohlgenährt, dass sie niemals zu dritt, viert oder fünft auf ein Motorrad gepasst hätten. Auch waren sie sehr europäisch und modern angezogen. Die Menschen in den Dörfern sind überwiegend in der Landwirtschaft tätig, sodass sie sich den ganzen Tag auf ihren Äckern bewegen und dadurch schlanker sind. Ein Leben auf dem Land bedeutet auch nicht automatisch, dass Menschen vom Dorf ärmer als Stadtmenschen sind, wie uns die Inder aus Udaipur berichteten. So können selbst die ärmlich aussehenden Bauern in den Dörfern sehr viel Geld besitzen, was sie aber nicht nach außen zeigen. Wenn man den Wert der Ländereien der Bauern nähme, wären diese sogar reicher als die vier Städter aus Udaipur, wie sie uns selbst erklärten. Sie stammen übrigens nach eigenen Angaben aus der zweiten Kaste und zählen sich selbst zur oberen Mittelschicht.

Sprachen in Indien – Nordinder verstehen Südinder nicht

In Indien leben 1,35 Milliarden Menschen, die 16 verschiedene Landessprachen und weitere 3000 lokale Dialekte sprechen. Dabei gibt es ein starkes Nord-Süd-Gefälle, sodass die Nordinder die Südinder oftmals nicht verstehen – auch wenn sie aus ein und demselben Land kommen. Um überhaupt miteinander kommunizieren zu können, reden sie daher häufig Englisch. Während in Nordindien unter anderem Englisch, Hindi und teilweise Französisch weit verbreitet sind, kommuniziert man in Südindien neben Englisch und Hindi zum Teil auch auf Spanisch. Die 16 offiziellen Sprachen stehen übrigens auch auf den indischen Geldscheinen.

Inder und ihre Gefühle

Das Äußern von Gefühlen im Allgemeinen

Laut unserem Guide seien die Frauen in Indien die überwiegend rational Denkenden, während die Männer die Emotionalen seien, die auf ihr Herz hörten. Wir kannten diese Stereotype eher in umgekehrter Form.

Außerdem erklärten uns unsere einheimischen Guides, dass Inder nie ihre Gefühle nach außen zeigen würden. Während die Chinesen nach dem Essen noch ein paar Reste auf dem Teller übriglassen, um zu zeigen, dass das Essen ausgereicht und geschmeckt hat, zeigen die Inder keinerlei Emotionen und lassen nichts auf dem Teller übrig. Unser eigener Eindruck unterscheidet sich in diesem Punkt allerdings deutlich von den Aussagen der Guides: So trafen wir während unserer Rundreise durch Indien sehr viele lächelnde oder begeisterte Menschen, die uns ganz deutlich zeigten, dass Inder eben doch ihre Emotionen nach außen tragen können. Es könnte aber auch sein, dass sie nur die negativen Gefühle nicht mit anderen teilen, denn davon bekamen wir tatsächlich nichts mit.

Arrangierte Hochzeiten vs. Liebesheiraten in Indien

Unser privater Fahrer Bhagwan, der uns 2018 ganze zwei Wochen durch Indien begleitete, erzählte uns viel über arrangierte Ehen in Indien, weil er zu dem Zeitpunkt unserer Reise auch kurz davor war, seine Tochter zu verheiraten. (Update 2021: Inzwischen sind die beiden verheiratet und haben schon ein Kind zur Welt gebracht.)

In Indien ist es auch heute noch gang und gäbe, dass die Eltern den Partner für ihr Kind aussuchen. Dieses Prinzip der arrangierten Ehe gilt verpflichtend für alle Kasten. Widersetzt sich ein Kind dieser Tradition, so kann es für immer von seiner Familie verstoßen werden. Die Inder gehen davon aus, dass sich die Liebe erst im Laufe der gemeinsamen Ehejahre entwickelt. Außerdem hätte jeder Inder die verpflichtende Lebensaufgabe, Kinder in die Welt zu setzen und damit den Erhalt des Familienstammbaums zu sichern. Dabei gehe es nicht darum, mit wem man die Kinder zeuge, sondern nur darum, dass man es tue. In der Regel sucht der Vater den Schwiegersohn oder die Schwiegertochter aus, weil er am besten den Geschmack seines Kindes kenne. Die Eltern beider Seiten verhandeln anschließend die Konditionen, wobei die Eltern der Braut den Eltern des Bräutigams Geld als Mitgift schenken müssen.

Unser Guide Silvester erzählte uns eine beeindruckende Geschichte, die sich tatsächlich so zugetragen haben soll: Sein Kumpel lebte mit seiner Frau auf dem Dorf, die er nicht liebte. Er schlug sie fortwährend und trank immer sehr viel Alkohol. Um ihn für sein Verhalten zu bestrafen, ließ die Dorfgemeinschaft eines Tages die Selbstjustiz walten und verprügelte ihn. Doch als er schon am Boden liegend immer weiter von den Dorfbewohnern verprügelt wurde, eilte seine Frau herbei – die ja zuvor regelmäßig von ihm geschlagen worden war – und legte sich schützend auf ihn. An diesem Tag hätte Silvesters Kumpel angefangen, seine Frau zu lieben. Gleichzeitig hörte er auf zu trinken und seine Frau zu schlagen. Die Inder sind überzeugt davon, dass irgendwann der Tag X kommt, an dem man anfängt, seinen Partner bzw. seine Partnerin aus tiefsten Herzen zu lieben.

Laut unseren Guides hätten sich seit Indiens Unabhängigkeit im Jahre 1947 nur insgesamt 11 Paare (bis April 2018) scheiden lassen. Wir finden es bizarr, dass wir Europäer an die Liebesheirat glauben und solche hohen Scheidungsraten verursachen, während die Inder alle verheiratet werden und die Scheidungsraten nur so gering ausfallen. Oder traut sich niemand in Indien, sich scheiden zu lassen, weil dieser Schritt gesellschaftlich verpönt ist? Über diese Frage konnten wir vor Ort mit niemandem sprechen.

Auf den Fotos tragen wir das Hochzeitsoutfit der indischen Könige (Maharajas).

Frauen in Indien – Das stärkere Geschlecht?!

Während unserer Rundreise erhielten wir von unseren Guides sehr viele Informationen über die Frauen in Indien, die im absoluten Widerspruch zu den grausamen Massenvergewaltigungen stehen, von denen man immer wieder in der Presse liest. Aus diesem Grund ist es uns wichtig, das Bild der Inder mit diesem Textabschnitt geradezurücken.

Laut unseren Guides verehren indische Männer Frauen im besonderen Maße. Sie stellen die Frauen sogar über sich selbst. Es soll auch Werbekampagnen geben, in denen dazu aufgerufen wird, Frauen zu respektieren. Einige Tuk-Tuk-Fahrer fahren außerdem mit einem Aufkleber umher, auf dem zu lesen ist: “Dieser Fahrer respektiert Frauen.” Zudem heißt es im indischen Volksmund: “Neben jedem erfolgreichen Mann steht eine erfolgreiche Frau.” Und wenn wir an die ganzen schüchternen indischen Männer denken, denen wir begegneten, glauben wir niemals im Leben, dass alle Männer in Indien Bestien und Massenvergewaltiger sind. Es handelt sich hier mit Sicherheit nur um Ausnahmen, die von den Medien extrem aufgebauscht werden, weil sie so schockierend sind. Auch in Deutschland werden tagtäglich Frauen vergewaltigt und von ihren Männern umgebracht.  So gab es allein im Jahr 2018 in Deutschland 122 Femizide und 9296 polizeilich erfasste Vergewaltigungen von Frauen, wobei die Dunkelziffer hier noch wesentlich höher ausfallen dürfte. Aus diesem Grund sollte man die Zeitungsmeldungen über Massenvergewaltigungen in Indien nicht überbewerten – und schon gar nicht sollten sie ein Hindernis für eine mögliche Indien-Reise sein.

Außerdem sahen wir in den Dörfern immer nur die Frauen hart arbeiten, während die Männer zusammengerottet in Grüppchen “chillten” oder Karten spielten. Und es waren auch nur immer die Frauen, die irgendwelche schweren Gegenstände auf ihren Köpfen durch die Gegend trugen. Das fing schon bei den kleinen Mädchen an. Wir beobachteten auch eine Frau, die einen vollen Sack Reis waagerecht auf ihrem Kopf transportierte, ohne diesen festzuhalten. Zum Spaß meinten wir zueinander, dass die Männer die Frauen nur deshalb verehren und höherstellen, weil sie die ganze Arbeit erledigen und den Männern dadurch deren faules Leben ermöglichen. In den Großstädten bekamen wir dagegen auch zahlreiche arbeitende Männer zu Gesicht. Diese Erkenntnis bezieht sich also nur auf die ländlichen Regionen, in denen wir unterwegs waren.

Es gibt aber noch viele weitere spannende Aspekte über die Frauen Indien, die wir während unserer Rundreise von unseren Guides erzählt bekamen:

  • Es gibt einen Tag im Jahr, an dem die Frau von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nur für ihren Mann fastet, um ihn zu verehren. Selbst bei großer Hitze, die in Indien ja häufig auftritt, dürfen die Frauen tagsüber kein Wasser trinken.
  • Indische Frauen sollen sehr viel Geld für Crèmes ausgeben, um möglichst weiß auszusehen. Je weißer, desto besser. Sie reiben sogar den Fußboden im Haus mit Kuhdung ein, um die UV-Strahlung zu reflektieren und den Boden bzw. sich selbst vor der Sonneneinstrahlung zu schützen. Weiter oben hatten wir auch schon geschrieben, wie stark Inder weiße Menschen verehren.
  • Nach dem Abstillen geben indische Frauen ihren Babys Kuhmilch zu trinken, weil darin viel Serotonin enthalten sei. Dieses Gewebshormon eliminiere Depressionen und hebe die Stimmung.

Die Schlangenbeschwörer in Indien

Sie sitzen mit kleinen Schachteln am Straßenrand in der Nähe des Amber Fort und fangen bei der Sichtung von ausländischen Touristen an, Flöte zu spielen, bis eine Kobra sich daraus erhebt: Das sind die Schlangenbeschwörer in Indien. Auch wir bekamen sie zu Gesicht, aber weil ich mich so vor den Tieren ekele, habe ich diese nicht fotografiert.

Aber was hat es mit den Schlangenbeschwörern auf sich? Und wie gefährlich sind die Kobras für Touristen? Die Schlangenbeschwörer gehen in den indischen Dschungel und holen sich dort die Reptilien, um diese für ihre Touristenbespaßungen zu nutzen. Dann entfernen sie immer wieder deren Gift durch Melken und behalten die Schlangen nur für ein paar Wochen bei sich. Wenn die Reptilien täglich als Attraktion zum Einsatz kommen, sind sie für Touristen völlig harmlos. Anschließend bringen die Schlangenbeschwörer ihre Tiere zurück in den Dschungel, weil sie denken, dass jeder irgendwann zurück nach Hause gehen müsse, da es zu Hause am schönsten sei. Und dann, wenn sie ihre Kobra zurückbringen, fangen sie sich eine neue ein, mit der das gleiche Spiel von vorn beginnt. Dieses Prozedere ist für die Reptilien nicht ganz ungefährlich: Wenn die Schlangen entgiftet zurück in den Dschungel gebracht werden, sind sie zunächst wehrlos, d.h. sie können sich weder verteidigen noch können sie ihre Beute töten. Nachdem sie gemolken wurden, dauert es nämlich zehn Tage bis zur vollständigen Auffüllung ihres Giftreservoirs. Nur wenn sie in dieser Zeit nicht von anderen Tieren getötet werden oder verhungern, überleben sie das ganze Martyrium.

Aber warum bewegen sich Schlangen überhaupt zur Flötenmusik? Einer unserer Guides erklärte uns, dass die Schlangen eigentlich gehörlos seien und sich nur entgegengesetzt zur Flöte bewegten. Wenn der Schlangenbeschwörer sein Blasinstrument hin und her schwingt, weichen die Kobras diesen Bewegungen nur immer in die jeweils andere Richtung aus, weil sie denken, mit der Flöte geschlagen bzw. angegriffen zu werden. Die Annahme, dass die Kobras sich wie dressierte Zirkustiere rhythmisch zur Musik bewegen, ist absolut falsch.

Das Verkehrschaos in Indien: Unterwegs zwischen Tuk-Tuks, Motorrädern, Kühen und Kamelen

Bis zu fünf Personen auf einem Motorrad,  auf den Straßen umherlaufende Kamele und Kühe – all das geht nicht?! Geht ja wohl! Willkommen in Indien!

Was für Europäer, Amerikaner oder Australier allein schon wegen der Körperfülle unvorstellbar erscheint, bekamen wir in Indien jeden einzelnen Tag mehrfach zu Gesicht:  Da fuhr doch tatsächlich die ganze Familie, bestehend aus zwei Erwachsenen und drei Kindern, auf einem Motorrad von A nach B. Einen Helm trugen sie alle nicht, auch nicht die Kleinkinder. Und das ist das Bedenkliche an dieser ganzen Sache: Mit einem Unfall kann man so die gesamte Familie auslöschen. Leider waren das keine Einzelfälle, denn 95% aller von uns gesehenen Motorradfahrer trugen keinen Kopfschutz. Noch skurriler wurde es dann aber, als die Helme während der Fahrt sogar am Lenker hingen oder von den Mitfahrern mit den Händen festgehalten wurden. Der Schutz, der im Ernstfall Leben retten könnte, war also manchmal sogar vorhanden, nur wurde er nicht auf dem Kopf getragen.

Und wie viele Personen passen in einen Bus? 60? Nein! Es sind über 100 – in Indien geht alles! Und wenn in dem Bus kein Platz mehr sein sollte, setzt man sich einfach auf das Dach. Und wenn man mit dem Jeep fahren will, macht man es einfach genauso. Hier passen doch locker 15 bis 20 Menschen in einen Jeep bzw. auf das Dach.

In Indien herrscht offiziell Linksverkehr. Das, was für uns wie ein reines Chaos aussieht, ist für die Inder Alltag, mit dem sie problemlos zurechtkommen. In allen möglichen Situationen hupen sie, auch wenn überall Hup-Verbotsschilder stehen. Bevor sie ein Auto überholen oder um die Kurve fahren, hupen sie ebenfalls, um sich bei den anderen Autofahrern anzukündigen.  Bei einer Straße mit einer Fahrspur pro Richtung machen die Inder auch mal spontan drei Spuren daraus. Vogelwild durcheinander überholten uns die Autos sowohl von rechts als auch von links. Sie fuhren alle, wie sie wollten.

Außerdem gibt es viele mautpflichtige Straßen in Indien. Aber woher weiß ich, wo sich die Mautstationen befinden? Ganz einfach: Man hört sie schon aus weiter Ferne. Denn die jungen Männer, die dort arbeiten, verwandeln jede Mautstation in eine 24-Stunden-Open-Air-Diskothek. Gerade bei Rundreisen ist es üblich, dass die Transfers mit dem privaten Fahrer auch mal mehrere Stunden dauern können. Wenn man während dieser Zeit ein bisschen schlafen möchte, ist man spätestens an der nächsten Mautstation wieder hellwach.

Ein weiteres lustiges Detail sind die vielen bunten LKWs, die von ihren Besitzern liebevoll wie Frauen behandelt und sehr farbenprächtig angemalt werden. Für die Brummi-Pflege und -Dekoration investieren indische LKW-Fahrer sehr viel Zeit.

Wer nun meint, dass die Motorradfahrer, die hupenden Autofahrer, die überfüllten Busse oder die unzählig vielen Tuk-Tuks für das nötige Straßenchaos sorgen, der hat noch nicht an die tierischen Verkehrsteilnehmer gedacht. In Indien ist es nämlich völlig normal, wenn ein Kamel oder eine Kuh über die Straße läuft. Man schützt sie. Man verehrt sie. Und man achtet darauf, sie unfallfrei zu umfahren. Sogar einen bemalten Elefanten sahen wir am Straßenrand stehen.

Aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse herrschte auf den meisten Straßen außerhalb der Ortschaften ein Tempolimit von 80 Stundenkilometern. Nur auf dem Weg von Delhi nach Agra waren 100 Stundenkilometer erlaubt.

Das, was wir jetzt alles so lebendig beschrieben haben, mag für uns Außenstehende mit privatem Fahrer sehr unterhaltsam erscheinen. Aber wir könnten es uns absolut nicht vorstellen, als Backpacker oder als Selbstfahrer durch Indien zu reisen. Und wir würden auch jedem davon abraten.

Die Inder und ihre Vorliebe für scharfes Essen

Inder nehmen ihre Mahlzeiten in der Regel im Schneidersitz sitzend auf dem Fußboden zu sich. Auch ist es üblich, dass zuerst die Männer essen und erst nach ihnen die Frauen und Kinder. Abgesehen von den Restaurants, in denen auch viele ausländische Touristen verkehren, essen die Inder nicht mit Besteck, sondern mit ihrer Hand. Weil man in Indien nach dem Toilettengang seinen Hintern immer mit der linken Hand säubert, darf man zum Essen nur die rechte Hand benutzen.

Grundsätzlich mögen Inder scharfes Essen. Das, was einem Europäer schon zu scharf erscheint, finden die Inder noch nicht einmal ansatzweise würzig. Selbst das für Inder sehr milde Butter Chicken war mir schon zu intensiv. Und auch der Spinat oder der Käse wurden scharf serviert.

Außerdem kann man in Indien überall Essen kaufen. Selbst auf offener Straße wurden Teigwaren zubereitet und verkauft.

Das Leben in den Dörfern: Zu Besuch bei den Bishnoi und Brahmanen

Den gesonderten Beitrag dazu gibt es <hier>.

Weitere interessante, lustige und skurrile Fakten über Inder – Unsere subjektiven Beobachtungen

Unsere indischen Guides erzählten uns noch viel mehr über die Menschen in Indien. Wenn wir hier von Indern sprechen, heißt das aber nicht automatisch, dass das alle so machen. Alle Menschen sind natürlich unterschiedlich.

  • Inder und ihre Unterschiede: Indien ist ein extrem vielfältiges Land mit so vielen unterschiedlichen Kulturen, Religionen, Sprachen, Kleidungsstilen und Lebensweisen. Wenn man durch das Land reist, könnte man meinen, man befände sich immer in vielen unterschiedlichen Ländern.
  • Inder und die Schönheit: Am Morgen trinken sie den Morgenurin von sich selbst oder von Kühen, weil dieser viel Melatonin enthalte. Damit wollen sie weniger Falten und ein besseres Hautbild bekommen. Vor dem Schlafengehen am Abend malen sie sich außerdem einen roten Punkt (Bindi) auf die Stirn, damit über Nacht im Körper ebenfalls Melatonin freigesetzt wird. Aus diesem Grund ist den Indern ihr nächtlicher Schlaf sehr wichtig.
  • Inder und die Entspannung für Körper und Geist: Sie praktizieren Yoga zur Entspannung ihres Körpers. Vor dem Schlafengehen machen sie Yoga Nidra. Laut unserem Guide seien viele Inder durch ihre Yoga-Übungen so gelenkig, dass ihnen problemlos auch die kompliziertesten Kamasutra-Stellungen gelingen. Und wie wir alle wissen, entstand das Kamasutra ja auch in Indien. Neben dem Yoga für den Körper dient die Meditation außerdem der Entspannung ihres Geistes.
  • Inder und ihre Warteschlangen vor den Sehenswürdigkeiten: Einheimische vs. Touristen und Männer vs. Frauen: In Indien gibt es nicht nur eine allgemeine Warteschlange vor den Sehenswürdigkeiten, sondern gleich vier: eine für indische Frauen, eine für indische Männer, eine für ausländische weibliche Touristen und eine für ausländische männliche Touristen. Auffällig dabei war, dass die Schlangen der Inder immer voll und lang waren, während wir in den “Ausländerschlangen” immer direkt durch zum Eingang gehen konnten. Während die Inder also stundenlang anstehen mussten, mussten wir im Gegenzug in den “Touristenschlangen” einen höheren Eintritt bezahlen. Für uns waren es einmal pro Person 1000 Rupien (= 11,50 €) und für die Inder nur 40 Rupien (= 0,46 €). Wenn man als Inder ebenfalls in den Genuss des bevorzugten Einlasses kommen wollte, konnte man sich auch in die “Ausländerschlange” stellen und den teureren Eintritt bezahlen. Doch es gab nicht nur  Unterschiede zwischen Einheimischen und Touristen, sondern auch zwischen Männern und Frauen. Während die Frauen oft problemlos durch die Sicherheitskontrollen kamen, wurden die Männer etwas strenger kontrolliert. (Im Übrigen muss man auch auf den Märkten als ausländischer Tourist wesentlich mehr Geld bezahlen als die Einheimischen.)

  • Inder und ihre wirtschaftlichen Ressourcen: 70% der Inder leben laut unserem Guide von der Landwirtschaft. Außerdem ist Indien gesegnet mit Seide, Kaschmirprodukten, Marmor und Öl. Auch die High-Class-Textilindustrie boomt, denn zahlreiche bekannte Designermarken wie Hermès, Chanel, Armani oder Valentino kaufen hier ihre Produkte ein. Ebenso werden in Indien hochwertige Teppiche produziert, die unter anderem von der Türkei aufgekauft und dort fälschlicherweise als “persische Teppiche” angeboten werden. Wenn Indien all seine hochwertigen Schätze teurer an die westliche Welt verkaufen würde, wäre das Land viel reicher.
  • Inder und ihr Humor: Unser Guide Silvester trug immer ganz lustige Socken, einmal waren Chicken Wings darauf abgebildet.
  • Inder und ihre Liebe zur Natur: Inder leben im Einklang mit der Natur. Sie verehren Kühe und essen diese nicht. Bevor sie zur Arbeit fahren, kaufen sie sogar extra frisches Gras für die Tiere und füttern sie. Auch überall auf den Straßen, Autobahnen, Märkten und in den Gassen sieht man Kühe und Kamele herumlaufen oder -liegen. Einmal stand auch ein bemalter Elefant am Straßenrand herum.

Quellen:

persönliche Erfahrungen vor Ort im März/April 2018

Mündliche Überlieferung durch unsere Guides und unseren Fahrer, u.a. durch Silvester und Bhagwan

Wir waren mit der Reiseagentur Mocca Travels unterwegs, die es inzwischen leider nicht mehr gibt.

Hinweis: Dieser Artikel ist aus freien Stücken entstanden und es bestehen keinerlei Kooperationen. D.h. wir haben die gesamte Reise zu 100% selbst finanziert.

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