Um auch das echte, authentische Leben in Indien kennenzulernen, besuchten wir neben den Großstädten wie Delhi und Udaipur auch zwei indische Dörfer, in die sich sonst kaum Touristen verirren: Barli und Rohat.

Bettelnde Kinder in den Dörfern – Ernst gemeint oder nur ein Spiel?

Wenn man durch indische Dörfer läuft, kommen spätestens nach zehn Minuten alle Kinder in Scharen auf einen zugerannt, weil sie unbedingt fotografiert werden wollen. Dabei stießen wir auf zwei unterschiedliche Arten von Kindern:

  • Die neugierigen, freundlichen Kinder (die Mehrheit): In den Dörfern Barli und Rohat kamen sie mit den Worten “one photo, one photo” auf uns zu, weil sie allein oder mit uns zusammen fotografiert werden wollten. Sie bestanden auch immer darauf, sich ihre Fotos auf unserem Kameradisplay ansehen zu dürfen und freuten sich dann wie Schneekönige darüber.
  • Die frechen Kinder (nur Einzelfälle): Sie kamen in den Dörfern angerannt, fassten uns an und fragten konkret nach Selfies mit uns. Als wir sie dann fotografierten, zeigten sie den Stinkefinger in unsere Kamera. Solche Fotos löschten wir noch an Ort und Stelle.

Während sich die Erwachsenen oftmals sehr schüchtern und zurückhaltend verhielten, traten uns die Kinder völlig unvoreingenommen und ohne Scheu entgegen.

IMG_3896

In den Dörfern wurden wir dann auch noch Zeuge einer Challenge, die die Kinder unter sich ausgerufen hatten. Sogar ein Hotel warnte uns in seiner Informationsmappe vor diesem “Spiel”: Wenn die Kinder nach “One photo”, “One pen” oder “One rupee” fragen, dann stecken also keine ernstgemeinten Bettelabsichten dahinter. Laut unserem Hotel gibt es in Indien nämlich überall spottbillige Kugelschreiber zu erwerben. Die Kinder sehen das Ganze nur als Wettbewerb an. Wer die meisten Kulis, Geldstücke oder Fotos von “Gorias” (weißen Menschen) sammelt, der gewinnt die Challenge. Wir sollten sogar unsere Namen in ein Büchlein eines Kindes schreiben, weil es bei ihm darum ging, wer die meisten Unterschriften von weißen Touristen zusammenträgt.

Wenn man einem Dorf wirklich etwas Gutes tun und spenden möchte, so gibt es in einigen ländlichen Hotels sogenannte “Wohlfahrtsfonds”, an denen man sich beteiligen kann. Das gesammelte Geld kommt dann der Dorfgemeinschaft zugute.

Zu Besuch in dem Dorf Barli

Unser Hotel: Das Fort Barli

Bei dem Fort Barli handelt es sich um einen ehemaligen Maharaja-Palast aus dem 16. Jahrhundert, der zu einem Boutique-Hotel umfunktioniert worden war. Sogar Prinz Charles aus dem britischen Königshaus war hier schon zu Gast.

Das Fort verfügt über gerade einmal acht großzügige Zimmer für insgesamt drei Touristengruppen (Paare, Familien, Alleinreisende). Exklusivität in totaler Abgeschiedenheit wird hier großgeschrieben; und auch das fehlende W-LAN trug zur digitalen Entgiftungskur bei. Aufgrund der geringen Gästeanzahl ist es auch nicht unüblich, den Pool ganz für sich allein nutzen zu können.

Neben einer geführten Tour durch das Anwesen oder dem Tragen der königlichen Maharaja-Kleidung bietet das Hotel auch Ochsenkarren-Fahrten durch das Dorf Barli sowie ein traditionell royales Dinner an. Aber auch Kochvorführungen, Vogelbeobachtungen, Wellnessbehandlungen oder Yoga-Kurse stehen auf dem Programm.

In dem Fort überzeugten uns sowohl das abgeschiedene Ambiente als auch das extrem freundliche Personal. Positiv bewerten wir auch die Tatsache, dass das Hotel die Dorfgemeinschaft finanziell unterstützt und dafür sorgt, dass die Kinder der Angestellten zur Schule gehen können. Leider gab es aber auch Schattenseiten, die man auf den Fotos nicht so deutlich erkennen kann. So empfanden wir die Unterkunft als etwas heruntergekommen und dreckig. Wenn man ein wenig Geld in die Hand nehmen würde, könnte man das Anwesen in frischer Farbe erstrahlen lassen. Auch den ganzen Taubenkot sollten die Angestellten sorgfältiger entfernen. Ameisen im Essen hätten auch nicht unbedingt sein müssen. Dass nur Männer in dem Fort arbeiten, könnte eventuell auch ein Grund für die Unsauberkeit sein. Weibliche Augen wären da vielleicht ein wenig penibler.

Hinweis: Wir besuchten das Fort Barli bereits im April 2018, aber dieser Artikel wurde erst im April 2021 veröffentlicht. Es kann sein, dass das Hotel inzwischen sauberer ist oder sogar renoviert wurde. Hierzu liegen uns keine Informationen vor.

Unsere Erlebnisse in Barli – Ein Spaziergang durch das Dorf und Aufeinandertreffen mit den Einheimischen

Laut dem Manager unseres Hotels sei Barli mit all seinen Besonderheiten und Beschaffenheiten ein typisch indisches Dorf. In einem von uns gewünschten Interview gab er noch mehr Informationen über Barli und seine Bewohner preis:

In dem Ort leben insgesamt 5000 Menschen, die über Elektrizität verfügen und deren Häuser an die Kanalisation angeschlossen sind. Das erwähnen wir an dieser Stelle nur deshalb, weil dies in Indien keine Selbstverständlichkeit ist. Oftmals teilen sich zwei bis drei Familien eine Wasserstelle, manche Familien besitzen auch ihren eigenen kleinen Brunnen. Außerdem kochen sie an offenen Feuerstellen, bauen ihre eigenen Lebensmittel an und verkaufen diese zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes. So lebt auch der Großteil der Menschen von der Landwirtschaft. Neben einem “Government Doctor” verfügt der kleine Ort auch über eine Schule. Die nächstgrößere Stadt – Ajmer – befindet sich 90 Kilometer weit entfernt und die Straßen bis dorthin sind sehr holprig. Während die Familien damals noch drei bis vier Kinder großzogen, sind es heute nur noch durchschnittlich zwei. Aufgrund der unzureichenden Infrastruktur und der mangelnden Zukunftsperspektive wandert die jüngere Generation in die Städte ab.

Auch die technische Ausstattung der Dorfbewohner unterscheidet sich signifikant von den verfügbaren Ressourcen der Städter. So besaßen zu unserer Besuchszeit im April 2018 nur sehr wenige Menschen in Barli einen Computer. 70% verfügten über einen Fernseher und ungefähr die Hälfte der Einwohner, 50-60%, hatte ein Smartphone, mit dem sie sich auch ins Internet einwählen konnten.  Außerdem waren ca. 80% der Familien in Besitz eines Familienfahrzeuges, sprich in Besitz eines Motorrads oder Autos.

Um die Informationen über das Dorfleben in Barli nicht nur vom Hotelmanager zu erhalten, begaben wir uns auf einen Spaziergang durch die kleine Ortschaft. Denn nur so konnten wir uns selbst ein eigenes Bild von den Dorfbewohnern machen. Und als wir so durch die Gassen wandelten, blieb plötzlich die Zeit stehen. Von Großstadthektik war hier weit und breit keine Spur. Die Menschen saßen draußen vor ihren Häusern, schauten uns an und grüßten uns zaghaft-schüchtern. Um ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, grüßten wir mit einem freundlichen “Ramram” zurück. Das ist das “Namaste” auf Rajasthani, dem indischen Dialekt, den man in Barli spricht. Und gleich war das Eis gebrochen, weil sie merkten, dass wir uns für sie interessierten. Es dauerte nicht lange, da kamen auch schon all die Kinder aus dem Dorf fröhlich und interessiert angerannt. Sie wollten unsere Namen wissen, wollten von uns fotografiert werden und freuten sich, ihre Gesichter auf unserem Kameradisplay wiederzuerkennen. Ein Junge fragte nach einem Kugelschreiber, andere Kinder wünschten sich Bonbons. Leider waren wir darauf nicht vorbereitet und hatten auch nichts dabei, was die Kleinen aber augenscheinlich nicht schlimm fanden. Wir erlebten das Aufeinandertreffen als sehr angenehm und herzlich, es war ein neugieriges Beschnuppern in Zeitlupe – wie in einem Film. Zu aufdringlich war es aber keineswegs.

Ein Abend im Hochzeitsoutfit der indischen Könige (Maharajas)

Der M & M Footprints Pärchentipp
Das Fort Barli bietet seinen Gästen für einen ganzen Abend das Tragen der Hochzeitskleidung der Maharajas an. Wenn man Glück hat, kommt zu diesem Anlass sogar der Dorfpriester vorbei. In dem Outfit kann man dann ein romantisches Candle-Light-Dinner neben dem Pool genießen.

Eines Abends durften auch wir das Hochzeitsoutfit der indischen Könige (Maharajas) tragen und unsere Zweisamkeit bei einem Candle-Light-Dinner am Pool darin genießen. Und so wurden wir beide zunächst in unseren Räumlichkeiten voneinander getrennt – schließlich sollten wir uns erst später in den Outfits wiedersehen, so wie bei einer richtigen Hochzeit. M (er) wurde von zwei Männern angekleidet, die ihm unter anderem einen Turban aus einem neun Meter langen Tuch umwickelten. Aufgrund der Masse des Stoffes und der hohen Temperaturen in Barli kam er darunter schnell ins Schwitzen. Für mein Styling war eine Frau zuständig, die mich wie eine Königin oder Prinzessin behandelte, wie man es aus alten Märchenfilmen kennt. Erst als wir beide zurechtgemacht waren, durften wir uns wiedersehen. In dem Dress gab es zuerst ein kleines Fotoshooting, bei dem uns selbst die Angestellten mit ihren privaten Handys fotografierten. Dazu führten sie uns zu den schönsten Ecken des Palastes und erteilten uns Posier-Anweisungen. Und selbst der Dorfpriester kam vorbei, um uns Touristen in dem royalen Hochzeitsgewand zu begutachten. Anschließend wurden wir zum Pool geführt, wo schon der romantisch gedeckte Tisch für das Candle-Light-Dinner auf uns wartete. Wie bereits erwähnt, schwitzte M (er) so stark in seinem Turban, dass er diesen noch während seines Abendessens ablegen musste.

Beim späteren Ausziehen meines Maharani-Outfits stellte ich dann lauter Risse und Löcher in dem edlen Gewand fest. Die allerfeinste Seide war zerstört. Das war der schrecklichste Moment unserer gesamten Indien-Rundreise, weil ich dachte, dass ich daran schuld gewesen sei. Den ganzen Abend heulte ich aus Verzweiflung. Erst als ich mich beruhigt hatte, gaben wir den Angestellten die Hochzeitskleidung zurück. Und erst dann erfuhren wir, dass das Kleid vorher schon mehrfach eingerissen worden war und mehrfach genäht werden musste. Als Beweis und zu meiner Beruhigung zeigte man uns die verschiedenen Fäden in den teilweise unterschiedlichen Farben. Erst dann fiel mir ein riesengroßer Stein von Herzen, den man mit Sicherheit sogar in dem 500 Kilometer entfernten Delhi hören konnte.


Zu Besuch in Rohat (Rohet)

Unser Hotel: Das Rohet Garh

Der M & M Footprints Pärchentipp
Das Rohet Garh ist ein ehemaliger Maharaja-Palast, in dem man auch außergewöhnliche Hochzeiten feiern könnte. Das versteckte Juwel irgendwo im Nirgendwo bietet viele Möglichkeiten für romantische Augenblicke an. Am Abend sang eine kleine Band für uns ein Liebeslied mit unseren Namen und ein Zauberer führte nur uns beiden seine Zaubertricks vor. Oft ist das Resort auf dem Dorf nur sehr spärlich besucht, sodass man denkt, man sei ganz unter sich. Romantischer geht es nicht!

Sehr abgeschieden und irgendwo im Nirgendwo – weniger als eine Stunde Autofahrt von Jodhpur entfernt – befindet sich ein weiterer Palast der Maharajas, das Rohet Garh. Auch dieser war, wie so viele Maharaja-Forts in ganz Indien, in ein Hotel umfunktioniert worden. Auch wenn das gesamte Resort schon etwas größer war, sahen wir neben uns nur zwei weitere Gäste in dieser Unterkunft. Wir erhielten ein riesengroßes Zimmer mit eigener Veranda. Aufgrund der wenigen Touristen, die sich hierher verirrten, kümmerte sich das Hotelpersonal um uns, als wären wir auch Mitglieder der Königsfamilie gewesen. Am Abend spielte extra für uns eine kleine lokale Band und ein Zauberer begeisterte uns mit seinen Tricks. In diesem herrlichen Paradies gab es neben dem Pool so unendlich viele Möglichkeiten, sich draußen hinzusetzen und die Zeit zu genießen. Am Abend kamen sogar das Familienoberhaupt und dessen Sohn zu uns, um sich mit uns zu unterhalten. Es war alles sehr persönlich und familiär, sehr herzlich und traumhaft schön. Wenn wir nicht schon vermählt wären, könnte ich mir vorstellen, in diesem Resort zu heiraten und mit all den Gästen in dieser wunderschönen Anlage zu feiern.

Da wir die “Aladin-Schuhe” unseres privaten Fahrers so toll fanden und ihn immer wieder darauf ansprachen, nahm er uns in Rohat mit in einen Schuhladen, wo er diese immer für sich kauft. Leider waren uns die Schuhe an allen Ecken zu eng und zu unbequem, sodass wir das Geschäft wieder verließen.

Da wir im Rohet Garh fast die einzigen Gäste waren, kamen wir sogar in den Genuss eines eigenen Liebesliedes mit unseren Namen, das uns die Band eindrucksvoll vorsang. In dem Hiqab-Song (Schluckauf-Lied) geht es um eine Frau, die immer allein zu Hause ist, während ihr Mann arbeiten muss. Die Frau hat den ganzen Tag Schluckauf, weil jemand an sie denkt. Also kontaktiert sie alle Familienmitglieder, doch ihre “Hickser” (Hiqabs) hören einfach nicht auf. Erst als ihr geliebter Mann nach Hause kommt, hat der Schluckauf ein Ende. Erst jetzt wird der Frau bewusst, dass ihr Mann den ganzen Tag an sie gedacht hat.

Nach der musikalischen Unterhaltung der Band folgte noch eine beeindruckende Zaubershow, bei der wir ebenfalls die einzigen Gäste waren.

Im Jeep auf Antilopen-Safari

Auf unserer Safari lernten wir, dass alle Antilopen in Ocker- und Brauntönen geboren werden. Erst nach fünf Jahren färbt sich das Fell der Männchen schwarz. Ein Männchen lebt jeweils mit mehreren Weibchen zusammen, wobei es auch welche unter ihnen gibt, die keine abbekommen und dann allein unterwegs sind. Bei den Menschen läuft es ja genauso ab. In der Tierwelt entscheiden allerdings die Kämpfe der Männchen über Erfolg und Misserfolg bei der Weibchenwahl. Außerdem weisen die Antilopen eine Lebensdauer von zehn bis zwölf Jahren auf. Abgesehen von den Bauern, die sich dadurch gestört fühlen, dass die Tiere ihnen die Ernte wegfressen, haben sie dort keine Feinde.

Unser Besuch im Bishnoi-Stammesdorf

Nach der Antilopen-Safari ging es weiter in ein Bishnoi-Dorf in der Nähe von Rohat, wo uns schon der Stammesälteste mit einem Lächeln empfing. Wie es für die Stammesoberhäupter üblich ist, trug auch er ausschließlich weiße Kleidung sowie einen weißen Turban. Mit seiner ausgestrahlten Ruhe, seinem inneren Frieden und seiner Herzlichkeit zog er uns voll in seinen Bann. Auch wenn wir nur über unseren Guide mit den dialektsprechenden Dorfbewohnern kommunizieren konnten, hatten wir dennoch den Eindruck, dass ein warmer Austausch zwischen uns stattfand. Manchmal sagt ein Lächeln eben mehr als tausend Worte.

In dem von uns besuchten Stamm wohnten seinerzeit 20 Personen, darunter fünf Kinder. Die Bishnoi (auch bekannt als Vishnoi) leben nach 29 Regeln, wovon sich 21 Vorschriften auf die Natur beziehen. Sie führen eine sehr ökologische und naturverbundene Lebensweise, d.h. sie schützen mit allem, was sie tun, konsequent die Natur und die Umwelt. Das Volk wohnt in Lehmhütten und hält seine Kühe in Ställen, die es aus Ästen gebaut hat. In dem gesamten Stammesdorf gab es 2018 weder Elektrizität noch fließend Wasser. Noch nicht einmal ein Brunnen stand ihnen zur Verfügung. Außerdem sind alle Stammesangehörigen Vegetarier: Sie verzehren nur die Milch von Kühen, nicht von anderen Tieren. Von den Schafen verwenden sie die Wolle. Zudem essen sie keine Eier, weil theoretisch aus jedem Ei ein Küken entstehen könnte. Alkohol ist den Bishnoi-Angehörigen ebenfalls nicht gestattet. In dem klein angelegten Stammesdorf gab es außerdem einen geschützten, heiligen Baum, den sie zur Verehrung mit roten und weißen Bändern umwickelt hatten. Dieser darf angebetet, aber niemals gefällt werden.  Um sich bei Krankheiten selbst zu heilen, verwenden die Bishnoi Kräuter von bestimmten Bäumen. Auch wenn sie Arztbesuche ablehnen und die Abgeschiedenheit bevorzugen, schicken sie ihre Kinder in die öffentliche Schule, die sich in der Nähe ihres Dorfes befindet. Für ihre Fahrten zum nächstgelegenen Dorf besitzt jede Bishnoi-Familie ein Motorrad und einen Traktor. Laut unserem Guide stünde auch jeder Familie ein Handy zur Verfügung, wobei wir uns fragten, wie man dieses ohne vorhandene Elektrizität wieder aufladen solle. Ob sie Solarstrom nutzen, konnten wir während unseres Besuchs leider nicht herausfinden. Des Weiteren gibt es viele Bishnoi-Unterstämme, die miteinander verheiratet werden. Bereits vermählte Frauen tragen einen großen Ring in der Nase.

Nach der Begrüßung durch den Stammeschef durften wir uns in den Hütten der Bewohner umsehen und mit ihnen kommunizieren. Auch wenn sie auf einem staubigen Sandboden leben, war erstaunlicherweise jedes Utensil an seinem Platz und alles wirkte sehr aufgeräumt.

Wer ein solches Bishnoi-Dorf besuchen möchte, sollte dies aber nicht auf eigene Faust tun, sondern bei seiner Reiseagentur oder seinem Hotel anfragen.

Unser Trip in ein Brahmanen-Dorf – inkl. Opium-Zeremonie

Bevor es uns wieder in die nächste Großstadt verschlagen sollte, machten wir noch einen Abstecher in ein Brahmanen-Dorf, das wesentlich fortgeschrittener war als das Bishnoi-Dorf. Hier verfügten alle Häuser über Elektrizität und Wasser. Die Anzahl der Antennen auf den Dächern gab uns eine Vorstellung davon, wie viele Menschen dort einen Fernseher besaßen. In dem von uns besuchten Dorf lebten zu unserem Besuchszeitpunkt 100 Familien, darunter 40 Brahmanen-Familien. Brahmanen heißen die Priester, Gelehrten und Mönche aus der 1. Kaste. Als Erkennungszeichen, damit jeder im Dorf weiß, wo sie wohnen, haben sie ihre Häuser blau angestrichen. Zudem halte die blaue Farbe auch Moskitos fern, erklärte uns unser Guide. Im Übrigen erkennt man die Brahmanen auch an ihren weißen Turbanen, die sie bei Trauerereignissen tragen. Außerdem verfügen die Gelehrten aus der 1. Kaste über ihre eigenen Brunnen. Alle anderen Familien müssen sich weitere Wasserstellen mit anderen Dorfbewohnern teilen.

Wie wir es schon aus Barli gewohnt waren, kamen uns auch in dem Brahmanen-Dorf wieder alle Kinder entgegengerannt, die uns nach einem Foto (“one photo”) oder einem Kugelschreiber (“one pen”) fragten. Dieses Mal wussten wir aber schon, dass es sich dabei um eine Kinder-Challenge handelte, bei der es darum ging, wer die meisten Kulis von Weißen sammelt. Hier sollten wir uns sogar in dem Büchlein eines Mädchens verewigen, weil es die Namen der weißen “Gorias” sammeln wollte. In dem Brahmanen-Dorf sprachen uns sogar Erwachsene an, die von uns fotografiert werden und ihre Fotos auf unserem Kameradisplay sehen wollten. Natürlich kamen wir ihren Wünschen nach, weil wir ihnen eine Freude bereiten wollten und selbst ganz froh über die Fotos waren.

In dem Brahmanen-Dorf leben auch Opium-Bauern, die das Betäubungsmittel im Auftrag der Regierung anbauen. Nur eine geringe Menge dürfen sie zum Eigenverzehr behalten, die sie jedoch nicht verkaufen dürfen. Zudem ist ihnen der Konsum von Alkohol nicht gestattet. Wir hatten das Glück, in den Genuss einer privaten Opium-Zeremonie zu kommen, die uns unsere Reiseagentur zuvor gebucht hatte. Also führte uns unser Guide zu zwei vollkommen zugedröhnten älteren Herren, die in ihrer eigenen Welt schwebten und die uns offensichtlich nicht richtig wahrnahmen. Diese beiden waren so weggetreten und in Trance, dass ich mir die ganze Zeit das Lachen verkneifen musste. Während unserer Zeremonie wurde das Opium in einem Filter mehrfach gereinigt und anschließend als eine Art Tee zubereitet. Bevor uns die Männer das Opium anboten, hatten sie noch eine Weile gebetet, während wir mit ihnen einen Kreis bildeten. Danach wurde das teeartige Getränk in die Hände unseres Guides gekippt und alle anderen mussten nacheinander daraus trinken. Es war nicht erlaubt, die Flüssigkeit aus seiner eigenen Hand zu verzehren. Da die Opium-Dosierung für uns Touristen verringert wurde, blieb der erwartete Rausch komplett aus. Im Anschluss daran gab es noch eine selbstgedrehte Zigarette, wobei wir nicht wissen, welche Inhaltsstoffe darin enthalten waren. Im Übrigen bieten die Opium-Bauern solche Zeremonien nicht nur für Touristen an, sondern halten diese auch auf Dorffesten für die Einheimischen ab.

Nach der Betäubungsmittel-Zeremonie zogen wir mit unserem Guide weiter zu einem ortsansässigen Töpfer, der uns auf seiner manuell betriebenen Drehscheibe die Herstellung von Vasen und anderen Gefäßen näherbrachte. Auch er strahlte – genauso wie der Stammesälteste in dem Bishnoi-Dorf – so eine Wärme und Herzlichkeit aus. Seine Handgriffe sahen dabei aus wie Zauberei. Im Anschluss an seine kleine Vorführung bot er uns seine fertigen Arbeiten zum Kauf an.


Unser Fazit: Lohnt sich ein Besuch der indischen Dörfer?

Wer unsere Reisevorlieben kennt, der weiß, dass uns Begegnungen mit den Einheimischen sehr wichtig sind. Sehenswürdigkeiten, wie beispielsweise der Taj Mahal, stehen hunderte Jahre immer an derselben Stelle. Jeder Besucher macht das gleiche Foto von ihm, weil er sich nie verändert. Aber die Zusammenkunft mit den Locals läuft immer unterschiedlich ab. Hierbei geht es nämlich um den Augenblick. Das, was wir heute erleben, erfahren die Touristen übermorgen vielleicht ganz anders. Und das ist das Spannende an der Begegnung mit den Menschen.

Gerade in Indien, wo die Unterschiede im Lebensstandard und in den Kulturen so signifikant groß sind, lohnt es sich, auch einmal abseits der bekannten Pfade zu wandeln und seine eigene Komfortzone zu verlassen. Wir messen den Wert der Menschen nicht an ihrem Einkommen oder ihren Besitztümern, sondern an ihrer Warmherzigkeit. Auch wenn wir ihre Sprache nicht beherrschen und viele von den Dorfbewohnern kein Englisch sprechen können, so kann man doch immer mit einem freundlichen Schmunzeln kommunizieren. Denn das Lächeln ist das, was alle Menschen und Kulturen dieser Erde miteinander verbindet. Die Menschen in den indischen Dörfern sind es wert, dass man ihnen einen Besuch abstattet.

Abschließend können wir sagen: Ja, ein Besuch der indischen Dörfer lohnt sich in jedem Fall, weil jede Ortschaft anders ist und jedes Stammesdorf nach seinen eigenen Regeln lebt. Überall erlebt man andere spannende Geschichten.


Links:

Erfahrungen mit Mocca Travels

Unser Hotel in Rohat: Das Rohet Garh

Unser Hotel in Barli: Das Fort Barli

Quellen:

mündliche Überlieferung durch unsere Guides und den Manager des Fort Barli

Hinweis: Wir waren bereits im April 2018 in Indien, aber dieser Beitrag ging erst im April 2021 online.

Wir waren mit der Reiseagentur Mocca Travels unterwegs, die es inzwischen leider nicht mehr gibt.