Rudolph, the Red-Nosed Reindeer, begleitete uns schon als Kinder jedes Jahr durch die Vorweihnachtszeit. Damals nahmen wir noch an, dass Rentiere – genauso wie Einhörner, Elfen und Trolle – nur Fabelwesen seien. Doch nun waren wir zu Besuch in der Arktis und haben sie mit eigenen Augen gesehen, ja diese sogar gefüttert. Es gibt sie also doch!

Im Folgenden wollen wir euch daher von unserem Rentier-Ausflug und von unserem Besuch bei einer indigenen Sámi-Familie berichten, die schon seit mehreren Generationen Rentiere hütet.

Von der Buchung bis zur Abfahrt: Unser Rentier-Ausflug mit dem Anbieter “Tromsø Arctic Reindeer”

Eigentlich wollten wir unsere Polarlichter-Reise schon im Herbst 2020 antreten, doch coronabedingt musste diese zwei Jahre lang immer wieder verschoben werden. Das erwähnen wir an dieser Stelle nur aus dem Grund, weil die Rentier-Saison in den letzten beiden Jahren eigentlich immer erst Mitte November begonnen hatte, d.h. nach meinen Herbstferien. Doch 2022 zog der Anbieter “Tromsø Arctic Reindeer” den Saisonstart um zwei Wochen vor, sodass es nun auch für uns möglich war, an einem Rentier-Ausflug teilzunehmen. Glück gehabt!

Aber halt, da hatten wir die Rechnung doch ohne Frau Holle gemacht, denn Schnee gab es Anfang November in der Arktis noch keinen. Aus diesem Grund wurde unsere Rentier-Schlittenfahrt leider ein paar Tage vor dem gebuchten Termin abgesagt. Allerdings bot man uns an, die ca. 100 Rentiere dennoch im Camp füttern und am Lagerfeuer den Geschichten der samischen Nomadenfamilie lauschen zu dürfen. Diesen Vorschlag konnten wir natürlich nicht ablehnen, denn wann und wo bekommt man schon einmal die Gelegenheit, Rentiere in dieser großen Anzahl live zu sehen und mit diesen zu interagieren?!

Am 01.November, dem allerersten Tag der Saison, sollten wir uns laut Anbieter pünktlich um 10:00 Uhr vor dem Radisson Blu Hotel mitten im Stadtzentrum von Tromsø einfinden, wo der Trip starten sollte. Als wir dort ankamen, warteten bereits weitere 100 bis 150 Touristen auf die Abfahrt der großen Reisebusse zur Rentier-Farm. Na super, diesen Massentourismus hassen wir wie die Pest und wollten so etwas eigentlich auch vermeiden.

Auf der 25-minütigen Fahrt zum Rentier-Camp in Krokelvdalen erzählte uns Silke – eine Deutsche, die für “Tromsø Arctic Reindeer” arbeitet – dann viele interessante Dinge über die Sehenswürdigkeiten in der Polarlichter-Hauptstadt. Mit ihr kamen wir während des vierstündigen Ausflugs auch noch mehrfach ins Gespräch.

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Eine Rentier-Schlittenfahrt und das Füttern der Rentiere im Camp

Und dann erreichten wir endlich das eingezäunte Rentier-Camp, das 2016 von Johan Isak Turi Oskal gegründet worden war. Er und seine samische Nomadenfamilie hüten jedoch schon seit Hunderten von Jahren Rentiere, wie er uns im Laufe des Tages persönlich am Lagerfeuer erzählte.

Und dann sollte der eigentlich spektakulärste Teil des ganzen Ausflugs folgen: eine 25-30-minütige Rentier-Schlittenfahrt, auf die wir uns schon vorab so sehr gefreut hatten. Aufgrund des fehlenden Schnees musste diese aber leider ausfallen, sodass wir unser Geld für diesen Part nachträglich anteilig zurückerstattet bekamen. Also starteten wir an diesem Tag mit dem Füttern der ca. 100 Rentiere. Hierfür durfte sich jeder einen mit Pellets gefüllten Eimer nehmen und los ging es. Während die Tiere mit ihren teilweise sehr imposanten Geweihen zunächst noch sehr hungrig auf die Besucher zukamen, verloren sie sukzessive das Interesse an ihnen, weil sie völlig überfressen waren. Beim Füttern mussten wir sehr behutsam aufpassen, dass wir den prächtigen Geweihen nicht in die Quere kamen. Da es sich um wilde Rentiere handelt, die im Sommer in freier Wildbahn in den Bergen leben und nur im Winter wegen Futtermangel ins Camp kommen, sind diese grundsätzlich auch nicht an Menschen interessiert. Obwohl die Tiere zwar recht harmlos und ungefährlich sind, sind sie doch meist recht scheu. Nur mit dem gefüllten Eimer in der Hand kann man sie zu sich locken, vorausgesetzt sie sind noch hungrig. Es ist übrigens während des Besuchs nicht vorgesehen, die Hirsche anzufassen bzw. zu streicheln, was wir auch nicht getan haben.

Auch wenn die Familie des samischen Camp-Gründers Johan Isak Turi Oskal schon seit mehreren Generationen Rentiere hütet, so begann er erst im Winter 2016 mit dem Füttern der wilden Tiere und rief somit das Lager ins Leben. Hierfür gab es zwei Gründe, die er uns beim Zusammensitzen am Lagerfeuer nannte: Einerseits sorgt die weltweite Erderwärmung dafür, dass es auch in der Arktis selbst im Winter häufiger regnet und weniger schneit. Wenn das Wasser im Boden dann zu Eis gefriert, schaffen sie es nicht mehr, mit ihren Hufen den harten Boden nach Nahrung zu durchsuchen. Auch ihre feinen Nasen schlagen dann nicht mehr an. Im Schnee wäre die eigenständige Nahrungssuche dagegen problemlos für die Rentiere möglich. Neben dem Nahrungsmangel im Winter, der von der globalen Erderwärmung verursacht wird, gibt es noch einen weiteren Grund für das Füttern der Tiere in den kalten Monaten. So steigt die Anzahl an natürlichen Fressfeinden in freier Wildbahn stetig, was dazu führt, dass die Rentierpopulation immer weiter sinkt. Wenn die Rentiere unten im Tal in einem eingezäunten Camp überwintern und von der samischen Familie gefüttert werden, sind diese gleichzeitig auch vor ihren Feinden, den Vielfraßen (d.h. Bärenmardern), geschützt, weil diese sich nicht herunter ins Tal zu den Menschen trauen. Sobald es die Witterungsverhältnisse Anfang April wieder zulassen, wandern die Rentiere eigenständig wieder zurück in die umliegenden Berge und leben in freier Wildbahn weiter bis zum nächsten Wintereinbruch im November.

Und das haben wir während unseres Besuchs im Rentier-Camp noch alles über die (meist) friedlichen Tiere erfahren:

  • Im September und Oktober kämpfen die Rentier-Männchen mit ihren großen Geweihen gegeneinander, weil sie sich um die Weibchen streiten. Das Ziel der Renhirsche besteht dabei darin, ein Harem aus 30 bis 40 Damen zu erschaffen, als deren Oberhaupt sie sich sehen wollen. Da die Männchen in dieser sogenannten Brunftzeit mehr mit dem Kämpfen und weniger mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt sind, verlieren sie relativ viel eigenes Körpergewicht.
  • Nach der Brunft fallen schließlich die Geweihe der Renhirsche ab, die dann auf dem Boden verrotten. Sobald diese durch die Witterung aufgeweicht sind, fressen die Weibchen diese Geweihe auf, weil sich darin wichtige Nährstoffe befinden, die sie für die Milchproduktion und somit für das Säugen ihrer Jungtiere im Winter benötigen. In dieser Zeit haben auch die Weibchen das Fressvorrecht vor den Männchen. Aus diesem Grund sind die Männchen in den Wintermonaten in freier Wildbahn ziemlich abgemagert (,was im Camp jedoch nicht der Fall ist, da genügend Futter für alle vorhanden ist).
  • Das Geweih der Renhirsche wächst jedes Jahr neu und man kann dabei regelrecht zusehen, weil es angeblich so schnell ginge, meinte Silke, die für die Sámi-Familie arbeitet.
  • Außerdem ist das Geweih eines Rentiers genauso wie der Fingerabdruck beim Menschen: Jedes Geweih ist einzigartig und keines gleicht dem anderen.
  • Zudem kann man das Alter der Rentiere an ihren Zähnen erkennen.

Ein traditionelles samisches Mittagessen im Rentier-Camp

Nachdem wir zuerst die hungrigen Rentiere gefüttert hatten, sollten schließlich auch unsere Mägen gefüllt werden. Zuerst gab es Kekse und ein Heißgetränk in einer Gamme, d.h. in einer typisch samischen Holzhütte. Anschließend fanden wir uns in einem traditionellen Lavvu (ähnlich wie ein Tipi, nur mit Loch im Dach) ein, wo wir uns das samische Essen am Feuer schmecken ließen. Es gab Bidos, einen sehr leckeren Rentier- und Elchfleisch-Eintopf mit Kartoffeln und Möhren. Auch die Vegetarier kamen mit einer fleischlosen Alternative auf ihre Kosten. Wie hat Silke so schön gesagt? – “First we feed them, then we eat them.”

Eine Begegnung mit dem samischen Volk (Sámi Culture)

Nach dem Essen versammelten sich alle Besucher am Lagerfeuer in einem zweiten Lavvu, wo sie den Geschichten des Sámi-Oberhaupts und Camp-Gründers Johan Isak Turi Oskal lauschten. Er erzählte uns viel über sein Leben als Same, wie die Anhänger des samischen Volkes genannt werden.

Wissenswertes über das samische Volk:

  • Die Anhänger der Samen werden in drei Gruppen unterteilt:
    • Fischer: Die samischen Fischer konnten die samische Sprache nur schlecht sprechen, weil es von der Regierung aus eine Zeit lang verboten war, diese Sprache in der Schule zu praktizieren.
    • alltägliche Menschen mit Sámi-Hintergrund: Diese führen ein ganz normales, zivilisiertes Leben als Ärzte, Anwälte, Lehrer etc. und tragen ihre traditionelle Sámi-Kleidung nur zu bestimmten Anlässen und Festen. Ihr Anteil an der samischen Gesamtbevölkerung ist am größten.
    • Rentier-Hüter: Die Rentier-Hüter machen nur 5% des samischen Volkes aus. Sie leben wie Nomaden und folgen zweimal im Jahr den Rentieren in das Sommer- und Wintercamp. Dabei geben allein die Tiere die Richtung und die Orte vor, die Hüter wandern nur mit. Einer von diesen Rentier-Hütern ist auch Johan Isak Turi Oskal, der uns am Lagerfeuer vieles über seine Kultur berichtete. Außerdem hat die norwegische Regierung es nur dem Volk der Samen erlaubt, überhaupt Rentiere hüten zu dürfen.
  • Zudem lebt das samische Volk in mehreren Ländern: in Norwegen, Finnland, Schweden und Russland.
  • Der samische Dialekt entstammt derselben Sprachfamilie wie Finnisch und Ungarisch und unterscheidet sich damit stark vom Norwegischen. “Gijtto” (gesprochen: Gito) heißt beispielsweise “danke”.
  • An den Farben und Symbolen der samischen Kleider sieht man außerdem, aus welcher Sámi-Familie die Angehörigen stammen. Jede unter ihnen hat ihre eigenen Erkennungsmerkmale. Johan trug beispielsweise eine Hose aus Rentierleder.
  • Für samische Kinder gibt es spezielle Sámi-Schulen bzw. eigene Sámi-Klassen.

Am ergreifendsten fanden wir aber den Moment, als uns Johan nacheinander zwei Joiks vorsang: einen sehr persönlichen (,den niemand filmen durfte) sowie einen sehr bekannten und weit verbreiteten. Bei zweitgenanntem sollten wir sogar mitsingen, wie man in dem Video unten sehen kann. Dabei handelte es sich um den norwegischen Beitrag beim Eurovision Songcontest aus dem Jahr 1980, den man auch bei Youtube abrufen kann.

Ein Joik ist übrigens eine traditionelle Liedform des samischen Volks, mit dem es verschiedene Dinge besingt und verehrt: die Rentiere, das Camp, die Polarlichter, den Schnee, die Berge oder sogar verschiedene Menschen. Dabei werden die Joiks aber nicht aufgeschrieben, sondern nur mündlich überliefert. Wenn dir jemand einen selbst gedichteten Joik singt, dann ist das ein Zeichen seiner Wertschätzung. Allerdings darfst du deinen eigenen Joik niemals selbst vorsingen, denn das müssen nur andere für dich tun.

Nach dem eindrucksvollen Vortrag des samischen Camp-Gründers und Rentier-Hüters Johan brachten uns die Reisebusse schließlich wieder zurück nach Tromsø zum Ausgangspunkt der Tour, dem Radisson Blu Hotel.

Fazit: Lohnt sich ein Rentier-Ausflug in Tromsø?

Auch wenn unsere geplante Rentier-Schlittenfahrt aufgrund des Schneemangels Anfang November abgesagt werden musste, fanden wir das Füttern der Rentiere im Camp sowie das Kennenlernen der samischen Kultur dennoch sehr beeindruckend. Von einem echten, samischen Rentier-Hüter einen Joik am Lagerfeuer vorgesungen zu bekommen, ging direkt unter die Haut.

Zu unserer Freude haben sich auch die ganzen Menschenmassen gut in diesem großen Camp verteilt, sodass wir nicht mehr den Eindruck hatten, Teil eines Massenevents zu sein.

Sowohl die Mitglieder der samischen Nomadenfamilie als auch das international zusammengestellte Helferteam waren sehr nett und man hatte den Eindruck, dass der Ausflug sehr gut organisiert und strukturiert war. Aus diesem Grund würden wir den vierstündigen Rentier-Trip, der uns übrigens als Paar 323,38€ gekostet hat, uneingeschränkt weiterempfehlen. (Stand der Preise: November 2022)

Unser herzliches “Gijtto” gilt Johan, seiner Familie und dem gesamten Team von “Tromsø Arctic Reindeer” (u.a. Silke)!  “Gijtto” für den warmen Empfang und den einzigartigen Tag bei euch im Camp!

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Links und Quellen:

eigene Erfahrungen vor Ort im Oktober/November 2022, mündlich überlieferte Informationen des Camp-Gründers Johan Isak Turi Oskal und von der Mitarbeiterin Silke

 Unser Anbieter: Tromsø Arctic Reindeer (*GetYourGuide)

Youtube: Joik von Sámiid ædnan, norwegischer Beitrag beim Eurovision Songcontest 1980

Hinweis in eigener Sache: Dieser Artikel ist aus freien Stücken entstanden und es besteht keine Kooperation mit “Tromsø Arctic Reindeer”. D.h. wir haben unsere gesamte Arktis-Reise zu 100% selbst bezahlt, auch den Ausflug zum Rentier-Camp.